Region Bordeaux
Frankreich
Möge der Beste gewinnen!
Es gehört zu den prägenden, menschlichen Eigenschaften, sich zu messen. Währenddem dies bei den römischen Streitwagenrennen, dem griechisch-olympischen Speerwerfen oder der Wengener Lauberhornabfahrt eine einfache Sache ist, mit Zielstrich, Messband oder Stoppuhr den Sieger zu bestimmen, ist es beim Wein wesentlich komplizierter.
Grund ist, dass hier Zielstrich, Messband und Stoppuhr nicht den Naturgesetzen, sondern dem menschlichen Auge, dem Geruchs- und dem Geschmacksinn gehorchen. Und dem Zeitgeist. All das ist bekanntlich von Mensch zu Mensch verschieden!
Womit wir beim ewigen Wettstreit zwischen Burgund und Bordeaux wären. Und vom vereinten Schrecken beider, wenn plötzlich ein Japaner Winzer in das vermeintliche Bollwerk einbricht. Wir als eidgenössisch-neutrale Riems halten uns da raus. Wir applaudieren dem aktuellen Sieger, aber lieben die Verlierer (mindestens) ebenso innig und überlassen es vertrauensvoll unseren Kunden, den Zielstrich, dass Messband und die Stoppuhr nach eigenem Gusto zu justieren.
Möge der Beste Ihren Gaumen und Ihr Herz gewinnen! Unser Wyschopf ist gefüllt mit Wettstreiterinnen und Wettstreitern aus aller Herren Länder, die – ohne Zielstrich, Messband und Stoppuhr! – um Ihre Gunst kämpfen.
Wenn wir jetzt unser Augenmerk wieder vermehrt gen Westen und über das Burgund hinaus ins Bordeaux richten, gehen wir den Weg zurück, den unsere Vorfahren vor 150 Jahren geebnet haben. Das macht uns froh und gwungerig auf Ihre Meinung zu den sehr bemerkenswerten Entdeckungen, die wir auf unserer Frankreichreise gemacht haben (>> Kästchen)!
Primeurwoche im Bordeaux
Jeweils in der ersten Aprilwoche öffnen die Châteaus im Bordeaux ihre Tore. Rund 5‘000 Händler, Einkäufer, Journalisten und Weinliebhaber nützen diese Gelegenheit, um sich ein erstes Bild des letztjährigen Jahrgangs zu verschaffen.
Während man durchs Jahr hindurch bei den schönen Schlössern vor verschlossenen Türen steht, zeigen sich die Gutsbesitzer in der Primeurwoche grosszügig. Die Umgebung, die Gärten und die Keller – alles feinsäuberlich herausgeputzt! Die Schlossbesitzer selbst sind anwesend und geben geduldig Auskunft und während der Mittagszeit sind die Besucher zu einem feinen Essen eingeladen.
Das Primeurgeschäft ist wichtig. Einige Schlösser verkaufen mehr als die Hälfte der Ernte «en primeur». Das heisst, die Käufer kaufen und bezahlen die Weine ab Fass. Geliefert wird jedoch zwei Jahre später nach dem Barriqueausbau und der Abfüllung!
Die Besuche sind straff im Halbstundentakt organisiert. Ich durfte der Einladung des Bordeaux-Händlers «Les Grand Chais de France» Folge leisten. Während der Woche wurde mir bewusst, dass der hervorragende Jahrgang 2018 ganz gut zur Geschichte unserer Kellerei passt. Im Jahr 2018 feierte Riem, Daepp & Co. AG bekanntlich sein 150-Jahre-Jubiläum. Zum Geburtstag leisteten wir uns deshalb 40 Schlösser mit je 150 Flaschen.
So klingt das Jubiläum noch lange genussvoll nach; denn das Mass aller Dinge in der Weinwelt ist eben doch Frankreich!
Herbert Riem